Sie werden sich vermutlich fragen, was dies für ein Thema ist, das wir hier auf unserer Internetseite präsentieren. Das habe ich mich als Verfasser dieser Zeilen auch gefragt. Aber da bei uns derzeit nichts Spektakuläres geschieht, kam ich halt auf Schultheiss Bier.
In Sachen Hallensuche und Umzug unserer Bussammlung samt Ersatzteilen gibt es nichts Neues zu berichten. So wie es aussieht, müssen wir nun zum Ende Oktober 2023 die heiligen Hallen in der Daumstraße verlassen. Es gibt Ideen, wohin wir in Berlin ziehen, aber bislang sind dies leider nur Ideen. Wollen wir hoffen, dass hieraus Wirklichkeit wird.
Um uns von diesen Alltagssorgen ein wenig abzulenken, richten wir den Blick auf die schönen Dinge des Traditionsbus-Lebens. Daher nun zurück zu Schultheiss Bier. Eine kleine Gruppe unserer jüngeren Traditionsbusser fordert diese Werbung, warum auch immer. Tatsächlich sind die Herren bereit, ins eigene Portemonnaie zu greifen, um dies zu ermöglichen – mein Kompliment! Und da ich mich als nun bald Vertreter der älteren Generation den Wünschen nachfolgender Generationen nicht verschließen sollte und selber einen starken Faible für Buswerbungen habe, begrüße ich diesen Gedanken und unterstütze ihn. Unser Büssing DE Doppeldecker 2100 soll diese Werbung bald erhalten. Da an diesem Autobus eine größere Reparatur ansteht, ist es sicher eine Motivation, diese anzugehen, damit Schultheiss dann auch auf der Straße zu sehen sein wird. Da Sie, sehr geehrte Leserinnen und Leser, lange Texte von mir gewohnt sind und diese immer voller Inbrunst rezipieren – davon bin ich überzeugt... - nehme ich dies zum Anlass, einige Fakten zu dieser in den siebziger Jahren omnipräsenten Werbung zu liefern. Wir schauen auch nicht auf vorige Version und die Nachfolger, sondern auf „was trinken wir?“
Insgesamt 293 BVG Doppeldecker trugen vom Juli 1967 bis November 1983 Schultheiss in dieser Werbeform, die bis auf ein helleres Rot, das im Oktober 1977 eingeführt wurde, in besagtem Zeitraum unverändert blieb. Allein 48 Wagen des Typ DE 68, zu dem unser 2100 gehört, zeigten während ihrer Einsatzzeit Schultheiss Bier. Das sind 24 Prozent der gesamten Serie von 200 Fahrzeugen. Von Juni 1971 bis August 1981 war die Blütezeit dieser Werbung mit 104 Fahrzeugen. Ab Dezember 1969 bis Dezember 1981 waren es immerhin 99. Bezogen auf den durchschnittlichen Bestand an Doppeldeckern im Fuhrpark der BVG in West-Berlin im vorgenannten Zeitraum ergibt sich mit Blick auf die Zahl 104 ein Wert von 9,1 %. Das bedeutet, jeder elfte Doppeldeckbus, den Sie unterwegs sahen, trug Schultheiss Bier. Sie merken anhand dieser Zahlen, wie prägnant diese Werbung war. Weil dies eine Massenwerbung war und wir Menschen in unserer Geschichte immer Innovationsdrang hatten und haben, zählte diese Werbung zu den ersten - genauer gesagt war es die zweite - deren Anbringung auf den BVG-Autobussen im Juni 1971 von einer Bemalung mittels Farben zu einer Beklebung mit Folie wechselte. Dies waren Siebdruckfolien, deren Herstellung und Bedruckung in der Anfangszeit des „Kunststofffolienzeitalters“ (was für ein Wort…) deutlich kostenintensiver war als heutzutage. Denn hier druckte nicht der in die Maschine integrierte Computer, sondern die Farbe wurde über Siebe, die die Konturen der Schrift und Signés hatten, auf die Folie aufgebracht. So etwas war am Beginn dieser Technologie nur bei großen Stückzahlen lukrativ. Daher war Schultheiss Bier Werbung prädestiniert für die Umstellung auf Folie. Was damals noch nicht so sehr interessierte, waren die Müllberge, die beim Abziehen entstehen. Das ist heute immer noch so und manchmal frage ich mich in unserem Traditionsbus-Alltag, ob das wirklich richtig ist, wenn z.B. für einen einzelnen Buseinsatz eine Folienbeschriftung erfolgt und am nächsten Tag unsere Mülltonne voll ist. Was das Etablieren der Folientechnologie forciert hat, ist die enorme Verkürzung der Zeiten, in denen der Autobus nicht zum Fahrgasteinsatz bereitsteht. Aus einer Frist von ca. einer Woche für das Aufmalen einer Werbung wurden ein bis zwei Tage.
Da unsere Aufgabe darin besteht, Busgeschichte allumfassend darzustellen, führt also kein Weg an Schultheiss vorbei. Nicht ganz historisch authentisch wird die Beschriftung der Folie im Computerdruck erfolgen. Im Vorfeld der Umsetzung dieser Werbeidee besuchte ich natürlich die „offizielle“ Schultheiss Bier Internetseite. Unter schultheiss.de findet man in der Rubrik Historie erstaunliche Informationen über dieses Bier und das gigantische Wachstum dieser Marke. Da wundert es nicht, dass Schultheiss in den Siebzigern den BVG-Bus-Werbemarkt derart dominierte. Nicht nur in West-Berlin war diese Werbung zu sehen, sondern auch in einigen bundesdeutschen Städten. Ich staunte nicht schlecht bei einem Besuch 1981 in Witten, eine Stadt im Ruhrgebiet, einen schicken dunkelgrün – beige lackierten MAN-Standardbus älterer Bauart der Bogestra mit Schultheiss Bier zu sehen. Da kamen gleich Heimatgefühle auf. (In den 60ern und 70er Jahren wurde das Bier auch in Bochum-Langendreer gebraut.) Ende der achtziger Jahre erfolgte bei Schultheiss ein Eigentümerwechsel und die Buswerbeaktivitäten liefen peu à peu bis 2006 aus.
Nun gilt es zu hoffen, dass es uns als Traditionsbus Berlin nicht wie Schultheiss ergeht und wir nach einem gigantischen Wachstum unserer Bussammlung demnächst vielleicht nur noch Teil eines großen Busunternehmens sein werden. Wie könnte das aussehen? Aktuelle Linienbusse fahren mit historischer Beklebung durch die Stadt und erinnern ein wenig an die große Zeit von Traditionsbus. Wie gesagt, wir wollen unser Bestes geben, dass es nicht so kommen wird!
Ihnen wünsche ich, dass Sie beim Anblick unseres Schultheiss Bier Busses – vielleicht steigen Sie sogar ein – spüren wie sich diese Zeit anfühlte, als der DE Doppeldecker der ganz normale Autobus war, die D2U Schaffnerwagen langsam aus dem Stadtbild verschwanden und der SD das Modernste vom Modernen darstellte.
Stefan Freytag