Wagen 2892

Wagen 2892, MAN SD 200
Im Einsatz auf der Linie 1 wurde 2892 im Februar 1980 dokumentiert. Foto: Stefan Freytag
Wagen 2892, MAN SD 200
Ein sonniger Oktober-Sonntag im Jahr 1980 lockt zum Ausflug in den Grunewald, und 2892 macht sich am Hardenbergplatz auf den Weg zum Grunewaldturm. Foto: Stefan Freytag
Wagen 2892, MAN SD 200
Im 60er-Jahre-Chic der Schloßstraße hält der Bus am 19. Februar 1981. Foto: Stefan Freytag
Wagen 2892, MAN SD 200

Vom Kurt-Schumacher-Damm kommend wartet 2892 auf die Einfahrt in den Kreisverkehr des Jakob-Kaiser-Platzes am 14. September 1983. Foto: Stefan Freytag

Wagen 2892, MAN SD 200
Gewissermaßen als S-Bahn-Ersatzverkehr diente 2892 am 17. Oktober 1983, als eine Fahrt vom Hardenbergplatz über die AVUS nach Stölpchensee gerade begonnen hatte. Foto: Stefan Freytag
Wagen 2892, MAN SD 200
Am 22. April 1984 durfte 2892 wieder einmal auf der Dreieckslinie zum Grunewaldturm seine Runden drehen. Foto: Stefan Freytag
Wagen 2892, MAN SD 200
Im August 2013 begannen Maßnahmen zur langfristigen Sicherung des Wagens.
Wagen 2892, MAN SD 200
Einige Schweißarbeiten am Unterbau des Wagens werden als eher langfristiges Projekt durchgeführt.

MAN SD 76

Der Wagen 2892 wurde als nummernmäßig letzter Wagen einer 80 Fahrzeuge umfassenden Bestellung (Wagennummern 2813 – 2892) mit der Bezeichnung SD 76 am 20. Dezember 1976 an die BVG geliefert. Wie bei allen Fahrzeugen vom Typ SD wurde die Bodengruppe von MAN-Salzgitter geliefert. Den Aufbau und die Komplettierung, die aus 2892 (Fahrgestellnummer 196 0268 0268) erst einen richtigen Bus machten, nahm die Firma Orenstein & Koppel in Berlin-Spandau vor.

Abgesehen von kleinen Details unterschieden sich diese Busse nicht wesentlich von denen der Vorserie. So verfügten die SD 76 im Unterschied zu den Vorgängern über ein Dreistufengetriebe vom Typ Voith D851. Markantester Unterschied zu allen anderen SD 200 war und blieb jedoch, dass die Wagen der Serie SD 76 in ihrer Leistung nicht gedrosselt waren, womit 2892 ebenfalls zur Serie der »Rennautos« gehörte. Lediglich die gewählte Art der Hinterachsuntersetzung und das Getriebe begrenzten die Höchstgeschwindigkeit auf 89 km/h, eine von keiner anderen Berliner SD-Serie erreichte Geschwindigkeit.

Technische Unterschiede, zum Beispiel andere Getriebe und Motoren bei einem Teil der Serie SD 75 sowie weitere Unterschiede innerhalb dieser Serie führten zwecks besserer Unterscheidung der Wagen zu einer neuen Typenbezeichnung, womit die Wagen 2773 – 2812 kurz nach Indienststellung von SD 75 in SD 76I und die Wagen der Serie SD 76 in SD 76II umbenannt worden sind.

Stationiert wurde unser Wagen 2892 auf dem Betriebshof Helmholtzstraße, dem er bis zu einem Fahrplanwechsel im Frühjahr 1989 treu blieb. Anschließend gelangte der Bus zum Betriebshof Britz, hierher hatte es ihn im Rahmen eines Leistungsausgleiches verschlagen.

Als eines der ältesten in Betrieb befindlichen Fahrzeuge im Doppeldeckerbestand der BVG hätte 2892 das Jahresende 1989 sicher nicht mehr erlebt, wäre es nicht zu jenem denkwürdigem Ereignis der Maueröffnung und Wiedervereinigung beider deutschen Staaten gekommen. Dies machte 2892 und die noch im Betrieb befindlichen Kollegen seiner Serie vorerst noch unverzichtbar: Durch den hohen Besucheransturm nach Berlin in dieser Zeit musste alles rollen, was Räder hatte. So blieb 2892 bis zu seiner Abstellung am 1. Juni 1991 im Fahrzeugbestand und verabschiedete sich mit 767.700 km Laufleistung aus dem aktiven BVG-Dienst. Die amtliche Abmeldung erfolgte am 11. Juni 1991.

2892 wurde im Anschluss auf dem Gelände des ehemaligen Straßenbahnbetriebshofs in der Königin-Elisabeth-Straße in Berlin-Charlottenburg abgestellt, wo die BVG seit Jahrzehnten alte, aber noch brauchbare Fahrzeuge zusammenzog. Diese Fahrzeuge bildeten die sogenannte Betriebsreserve und waren in einem technischen Zustand, der eine sofortige Wiederinbetriebnahme im Bedarfsfall zuließ. Darüber hinaus wurde ein Großteil dieser Fahrzeuge auch an interessierte Dritte veräußert.

Geliefert wurde unser Wagen noch mit den Einzelsitzen über den vorderen Radkästen. Etwa zum Ende des Jahres 1977, Anfang 1978 erfolgte in der Hauptwerkstatt der BVG ein Umbau, bei dem der linke rückwärtige Sitz durch eine Gepäckablage ersetzt und auf der rechten Fahrzeugseite eine Dreierbank quer zur Fahrtrichtung über dem Radkasten montiert worden ist. Die Laufgangwanne ist in diesem Bereich bei dieser Gelegenheit begradigt worden.

Zeitgleich erfolgte ein weiterer Umbau: Ab dem Baujahr 1977 verfügten alle späteren SD-Serien über eine konstruktiv geänderte Hinterachse mit Außenplanetengetriebe. Alle Vorgängerserien, so auch 2892, waren mit einer Innenplaneten-Achse ausgerüstet. Zur Kostenersparnis wurde 2892 mit weiteren 19 Wagen seiner Serie ausgewählt, die Hinterachse mit einem Umbausatz des Achsherstellers der Außenplanetenachse anzugleichen. Die erst versuchsweise vorgenommene Maßnahme bewährte sich so gut, dass später fast alle Wagen der Vorgängerserien und die der Serie SD 76 mit dieser Umbauachse versehen worden sind.

Im Januar 1983 erhielt 2892 einen in seiner Leistung von 141 kW auf 147 kW gesteigerten Motor und im Dezember des selben Jahres seine Großreparatur (GR), bei der die Großaggregate überholt und notwendige Blech- und Unterbodenschutzarbeiten ausgeführt worden sind.

Während seiner Einsatzzeit fuhr 2892 natürlich auch mit einigen Werbungen auf seinen Außenblechen durch Berlin, zu den sogenannten POP-Bussen gehörte er jedoch leider nicht. Im Juli 1977 bekam er seine erste Bandwerbung für das Bekleidungshaus Loden-Frey. Diese war - wie seinerzeit allgemein üblich - recht langlebig und wurde im Januar 1983 durch eine Heckwerbung für die Firma »Autodienst in Wittenau (AdW)« ersetzt. Diese Werbung wurde im August des selben Jahres durch eine Kurzzeitwerbung der Firma AKAI (AKAI ist oben, viel Vergnügen) abgelöst, die wiederum nur für zwei Monate an 2892 verblieb. Weitere Kurzzeitwerbungen für eine UdSSR-Ausstellung (Oktober 1983) und »Raketenbrenner Heizöl« (Oktober bis November 1983) folgten. Nach Abschluss der Großreparatur im Dezember 1983 erhielt 2892 im Februar 1984 die zweite Bandwerbung, mit der der Bus wieder etwas länger im Einsatz war, indem er nun für das Schuhhaus »Neupert« warb. Nachdem diese im April 1990 wieder gelöscht worden war, kam der Wagen bis zur Abstellung mit einer Heckwerbung für die Firma »Autoradio in Steglitz« zum Einsatz.

Dies sollte als Rückblick über die wichtigsten Stationen des Lebensweges von 2892 bei der BVG genügen, die Geschichte dieses Wagens geht jedoch weiter. Als glücklicher seiner Serie wurde er von drei Busfans der Traditionsbus Berlin dazu auserkoren, als Museumsbus erhalten zu werden. Die Verhandlungen mit der BVG über einen Ankauf gestalteten sich recht zäh und langwierig, doch am 6. November 1992 nahmen drei zufriedene Busfans »ihren« Bus in Besitz, womit die zweite Karriere von 2892 nun beginnen konnte.

Die Freude währte unterdes nur knapp ein Jahr, im August 1993 verabschiedete sich überraschend das Getriebe des Wagens. Die eigentliche Ursache für diesen Defekt ließ sich zwar nie genau ermitteln, fest stand nur, dass es mit Kauf des Wagens noch fast neuwertig war, durch den Defekt jedoch völlig zerstört wurde. Als Ersatz wurde im September 1993 ein anderes Getriebe eingebaut, das aus dem Wagen 1901 (SD 82) stammte. Dieser war bei einem Glätteunfall zu Beginn des Jahres 1993 schwer beschädigt und ausgemustert worden.

Die Pechsträhne mit 2892 setzte sich jedoch leider weiter fort, im September des selben Jahres fuhr bei Filmarbeiten der als Catering-Bus eingesetzte Wagen 2862 gegen unseren 2892, was in der Folge eine neue Heckklappe und Hecktraverse notwendig machte. Bei den selben Filmaufnahmen fuhr dann noch ein außer Kontrolle geratener Pkw in Höhe des Batteriefachs unserem Bus in die Seite. Die Reparatur des etwas größeren Blechschadens und die Erneuerung der Zusatzheizung wurden von der BVG-Hauptwerkstatt durchgeführt. Neben der ganzen damit verbundenen Aufregung, kann man - positiv betrachtet - den Wagen wenigstens schon auf der linken Fahrzeugseite als teilsaniert betrachten. Seitdem läuft der Wagen problemlos und war auch in keinen Unfall mehr verwickelt.

Der Bus ist derzeit amtlich nicht zugelassen und präsentiert sich im letzten Einsatzzustand bei der BVG.

Autor: Jörg Barth