SD 202, die nicht für die BVG gebaut wurden
Es liegt ein Aufsatz zu einem Fahrzeug vor: LVG 45
Neben den Fahrzeugen der Bauart SD 202 für die BVG sind weitere Busse dieser Bauart lediglich für die Lübeck-Travemünder Verkehrsgesellschaft (LVG) gefertigt worden. Den 468 SD-202-Bussen für Berlin standen dabei lediglich neun LVG-Fahrzeuge entgegen. Diese waren bei Indienststellung weitestgehend mit den Berliner SD 202 baugleich und unterschieden sich technisch lediglich in punkto Fahrzielanzeige und Hinterachsübersetzung von den Berliner Bussen. Während die Berliner SD 202 mit einer Annax- (bzw. im Fall des Wagens 3716 mit einer Matrix-) Fahrzielanzeige ausgestattet waren, verfügten die Lübecker D-Wagen bis Baujahr 1991 bei Indienststellung zunächst über Rollbandanzeigen der Firma Krüger. Diese sind Anfang der Neunzigerjahre gegen Matrixanzeigen desselben Herstellers getauscht worden. Die Wagen des Baujahres 1992 sind werkseitig mit Matrixanzeigen ausgeliefert worden, mit denen sie bis zu ihrer Ausmusterung verkehrten. Im Gegensatz zu den Berliner Vertretern kamen die Lübecker Wagen auch im Überlandverkehr zum Einsatz, weshalb die Busse mit einer anderen Hinterachse und einem modifizierten Differenzial versehen waren, die höhere Reisegeschwindigkeiten ermöglichten.
WMA 592 0274 B006492
Das Fahrgestell des numerisch älteren, von der LVG tatsächlich aber am 9. März 1989 erst als zweiten in Dienst gestellten SD 202 war zwischen den Berliner Wagen 3772 und 3773 angesiedelt. Der Bus, dessen Ausstattungsmerkmale den Berliner D 89 entsprach, wurde als Wagen 25 mit der Zulassung HL-J 90 in Dienst gestellt. Im Zuge der Umstellung auf dreistellige Wagennummern erfolgte im November 2005 die Umzeichnung in Wagen 172. Nach der Ausmusterung im Juli 2007 wurde der Bus an das Stadtrundfahrtunternehmen Hamburg City Tour abgegeben, welches den Bus unter der neuen Zulassung HH-JZ 212 einsetzte.
WMA 592 0275 B006493
Nachdem mit dem Berliner Wagen 3681 (D 88) bereits im Sommer 1988 für wenige Tage ein Bus dieser Bauart von der LVG im Liniendienst erprobt worden ist, gelangte noch im selben Jahr erstmals ein SD 202 in den Fuhrparkbestand der LVG. Das Fahrgestell des am 9. Dezember 1988 amtlich angemeldeten und als Wagen 24 in Dienst gestellten Busses (Zulassung HL-AJ 363) war zwischen denen der Berliner Wagen 3772 und 3773 der Bauart D 89 angesiedelt. Nach einer Fusion des LVG-Eigentümers - den Stadtwerken Lübeck - mit der Firma Arthur Härzer im Jahr 2001 wurden die Linienzugehörigkeiten innerhalb des Firmenverbundes neu geordnet, womit einige der LVG-Doppeldecker nun der Firma Härzer zugewiesen wurden. Der LVG-Wagen 24 kam ab Juni 2001 zunächst als neuer Wagen 308, später dann als Wagen 208 und schließlich als Wagen 315 in den Liniendienst. Im Februar 2002 ist die amtliche Zulassung des Busses an die Systematik der Firma Härzer angepasst worden, womit der ehemalige LVG-Wagen 24 nun das Kennzeichen HL-OK 315 erhielt. Nach der Ausmusterung im Jahr 2005 gelangte der Bus zum Omnibusunternehmen Gassert in Blieskastel (Saarland), wo er unter der neuen Zulassung HOM-GR 28 zum Einsatz kam.
WMA 592 0350 B007582, WMA 592 0351 B007583
Zwei weitere SD 202 wurden im Jahr 1990 vom Berliner Aufbauhersteller Waggon Union fertig gestellt und an die LVG übergeben. Die Fahrgestelle dieser Busse lagen numerisch zwischen den Berliner Fahrzeugen der Serien D 90 und D 91, wobei die beiden Lübecker Busse die Ausstattungsmerkmale der Berliner Fahrzeugserie D 90 aufwiesen. Als Wagen 27 (amtliche Zulassung HL-J 907) und Wagen 28 (amtliche Zulassung HL-J 874) gelangten beide Busse ab Mai 1990 (Wagen 27), bzw. März 1990 (Wagen 28) zum Einsatz. Während Wagen 27 bis zuletzt bei der LVG verblieb und nach seiner Ausmusterung im November 2004 über einen Händler zum Busunternehmen Uffen im Ostfriesischem Oldersum (neue Zulassung LER-HU 42) gelangte, ist Wagen 28 bereits im August 2001 an die Firma Härzer, ein Schwesterunternehmen der LVG, abgegeben worden. Zunächst erhielt der Bus die Wagennummer 312, später die neue Wagennummer 316. Mit der entsprechenden Zulassung HL-OK 316 war der Bus ab Februar 2002 auf einigen Linien seines ehemaligen Einsatzgebietes anzutreffen. Nach der Ausmusterung im Februar 2005 ist der Bus zum Omnibusbetrieb Kürten in Ahaus-Alstätte (Münsterland) abgegeben worden. Die neue Zulassung lautete BOR-PK 798.
WMA 592 0433 B008646
Im Juli 1991 fand mit Wagen 37 der fünfte Wagen vom Typ SD 202 zur LVG. Der am 17. Juli 1991 auf das Kennzeichen HL-J 622 amtlich zugelassene Bus ist vom Berliner Aufbauhersteller Waggon Union auf ein Fahrgestell karossiert worden, welches zwischen denen der Berliner Fahrzeugserie D 91 und D 92 lag. Der Bus entsprach in seinen Ausstattungsmerkmalen den Fahrzeugen der Berliner Bauart D 91. Wie viele seiner Schwesterfahrzeuge wurde auch der Wagen 37 von der LVG an die Firma Härzer abgegeben und kam dort als neuer Wagen 314, später 214, ab dem Juli 2001 auf einigen Linien seines früheren Einzugsgebietes zum Einsatz. Im Februar 2002 erfolgte im Zuge einer Neuordnung des Fuhrparkbestands bei der Firma Härzer die Angleichung von Wagennummer und Kennzeichen zueinander, womit der ehemalige Wagen 37 der LVG nun mit der neuen Zulassung HL-OK 317 als Wagen 317 verkehrte. Im Februar 2005 endete der Einsatz des Busses an der Ostsee und das Fahrzeug wurde an das Reisebüro Kessler in Schweinfurt verkauft (neue Zulassung SW-KC 75).
WMA 592 0435 C001151, WMA 592 0437 C001153, WMA 592 0506 C001156, WMA 592 0507 C001157
Die letzten vier an die LVG gelieferten SD 202 – LVG-Wagen 42 bis 45 – stellten gleichzeitig die größte an die LVG gelieferte D-Wagen-Serie dar. Die Fahrgestellnummern zweier Busse liegen inmitten derer der Berliner Serie D 92, womit die Lübecker Busse dieser Serie Ausstattungsmerkmale der Berliner D 92 trugen.
Das Fahrgestell des LVG-Wagens 42 (Erstzulassung am 20. November 1992 auf das Kennzeichen HL-J 367) lag zwischen denen der Berliner Wagen 3928 und 3929. Das Fahrzeug wurde im Oktober 2001 an die Firma Härzer abgegeben und kam dort zunächst als Wagen 321 zum Einsatz. Im Februar 2002 erfolgte die Umkennzeichnung des Busses auf die neue Zulassung HL-OK 318 sowie die neue Wagennummer 318. Im Januar 2006 wurde der ehemalige Wagen 42 ausgemustert und gelangte über einen Nutzfahrzeughändler zur Firma Lay-Reisen in Püttlingen (neue Zulassung SB-LR 140).
Auf das zwischen den Berliner Wagen 3929 und 3930 angesiedelte Fahrgestell wurde der spätere LVG-Bus 44 karossiert. Der Wagen wurde am 1. Dezember 1992 auf das Kennzeichen HL-J 572 erstmals zugelassen. Im September 2001 wurde der Bus an die Firma Härzer abgegeben, wo er unter der neuen Wagennummer 320, aber mit seiner urspünglichen Zulassung eingesetzt wurde. Im Februar des Folgejahres kehrte Wagen 44 zur LVG zurück. Anlässlich der Umstellung des LVG-Fuhrparks auf dreistellige Wagennummern erhielt der Bus im November 2005 die neue Nummer 174, die er bis zu seiner Ausmusterung im Juli 2007 behielt. Nach dem Ausscheiden aus dem LVG-Fuhrpark kam der Wagen als Spielbus in Belgien zum Einsatz, die neue Zulassung dort lautete YCP 707.
Das Fahrgestell des späteren LVG-Wagens 45 folgt dem des letzten Berliner SD 202, dem Wagen 3967. LVG-Wagen 45 wurde am 1. Dezember 1992 erstmals amtlich zugelassen (HL-J 587). Obwohl der Bus ab Anfang 2005 auf verschiedenen Linien der Firma Härzer zum Einsatz kam, blieb er bis zuletzt im Bestand der LVG: Die einzige Änderung wurde dem Fahrzeug im November 2005 zuteil, als im Zuge der Umstellung auf dreistellige Wagennummern bei der LVG der Wagen 45 die neue Nummer 175 erhielt. Im März 2007 endete der Einsatz von Doppeldeckern bei der LVG und der Firma Härzer. Die bis dahin verbliebenen vier Fahrzeuge (LVG 172, ex LVG 25; LVG 173, ex LVG 43, LVG 174, ex LVG 44 und LVG 175, ex LVG 45) wurden fortan als Reserve vorgehalten und im Juli 2007 amtlich abgemeldet. Im direkten Vergleich der verbliebenen vier SD 202 bei der LVG zueinander zeigte sich der Wagen 175 (ex LVG 45) als der sowohl technisch als auch vom Aufbau her am besten erhaltene Wagen. Dies war insbesondere dem Umstand geschuldet, dass der Bus ab dem Jahr 2005 überwiegend von der Firma Härzer aus auf der eher von Touristen frequentierten Linie 5815 zwischen den Städten Niendorf und Travemünde zum Einsatz kam, während die anderen drei Busse zuletzt im Schülerverkehr im Bereich Lübeck verkehrten. Als Vertreter der einst von der LVG eingesetzten SD 202 wurde dieser Bus von uns übernommen und in die Fahrzeugsammlung eingereiht.
Auf das numerisch letzte SD-202-Fahrgestell ist der spätere LVG-Wagen 43 aufgebaut worden. Der Bus wurde am 20. November 1992 auf das Kennzeichen HL-J 497 amtlich zugelassen, mit dem der Wagen bis zu seiner Ausmusterung im Juli 2007 im Einsatz war. Zuvor hatte der Bus im November 2005 aufgrund der Umstellung auf dreistellige Wagennummern die neue Nummer 173 erhalten. Nach der Ausmusterung gelangte das Fahrzeug zunächst nach Luxemburg, wo es unter der neuen Zulassung AT 1015 als Sightseeing-Bus verkehrte. Später setzte die Firma Arns-Reisen in Marienheide den Wagen unter der neuen Zulassung GM-GA 700 im Schulbusverkehr ein.
Übrigens lässt die genaue Betrachtung der Fahrgestellnummern aller (BVG- und LVG-) SD 202 des Baujahres 1992 interessante Rückschlüsse auf Änderungen während der Fertigung dieser Fahrzeuge zu.
Wie bereits beschrieben, sind zwei der vier Lübecker Fahrzeuge inmitten der Berliner Busse angesiedelt. Gleichzeitig existiert nach dem Berliner Wagen 3965 eine Lücke von exakt dreißig nicht vergebenen Fahrgestellnummern, denen dann die Fahrgestelle der Wagen BVG 3966, BVG 3967, LVG 45 und LVG 43 folgten.
Es liegt somit der Schluss nahe, dass statt der tatsächlich von der BVG angeschafften vierzig D 92 ursprünglich siebzig Fahrzeuge gefertigt werden sollten, an die sich dann die vier Fahrzeuge für die LVG angeschlossen hätten.
Gleichzeitig sind zu einem frühen Zeitpunkt der laufenden Fertigung für Berlin zwei Fahrgestelle abgezweigt worden, auf die die späteren Wagen LVG 42 und LVG 44 aufgebaut worden sind. Diese Wagen sollten der LVG offenbar kurzfristig und nicht erst nach Beendigung des Berliner Auftrages zur Verfügung stehen. Die beiden „fehlenden“ Busse für Berlin wurden dann auf Fahrgestelle aufgebaut, die ursprünglich für die LVG vorgesehen waren. Könnte die jahrzehntelange enge Verbindung beider Betriebe LVG und BVG besser dokumentiert werden, als durch den Umstand, dass – streng genommen – jeder Betrieb mit zwei Bussen des anderen unterwegs war…?
Mit den D92 endete die Beschaffung von Doppeldeckautobussen nach BVG-Vorbild für Lübeck. Während der DN-Prototyp immerhin noch 1995 durch die LVG erprobt wurde, erfolgte keine weitere Bestellung, und es gelangten nur noch fünf Setra S 328 DT-L in den Fuhrpark, die die letzten beschafften Doppeldecker für den Linieneinsatz an der Trave darstellten.
Text: C. Neuhaus, April 2010
zuletzt aktualisiert 20.9.2010 | Ulf Bergmann
|