Wagen 644
Kä E2H 63 (S6)

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Die BVG-Wagen im allgemeinen


Unser Bus 644 entstammt einer Serie von zwölf Fahrzeugen, die - aus Sicht des Herstellers Kässbohrer - sehr ungewöhnlich war: außer für Tunesien hat diese Firma den Typ S6 ohne die für dieses Fahrzeug typische Dachrandverglasung nur für Berlin hergestellt. Außerdem kam es auch nicht häufig vor, dass dieser Typ im Linienverkehr eingesetzt wurde. Entgegen der sonst üblichen Ausstattung verfügten die BVG-Fahrzeuge daher neben einer druckluftbetätigten Einstiegstür (die den an der Haltestellen wartenden Fahrgästen freundlichen entgegenkam, da sie nach außen öffnete) auch einen im Armaturenbrett integrierten Zahltisch. Eine weitere Besonderheit war die »Fahrerplatzabschrankung«: eine ausziehbare Stange, die Fahrgäste während der Fahrt daran hindern sollte, in den Bereich des Fahrers zu gelangen.
Acht der zwölf Wagen hatten - als letzte bekannte Abweichung von der Serie - einen Schilderkasten über den Frontscheiben, der bei diesem kleinen Bus etwas überdimensioniert wirkte. Doch die Standard-Schilder aus D2U, DE, DF und E2U passten, das war die Hauptsache. Elegantes Aussehen ist aber sicher etwas anderes...
Die mit einem 90 PS leistenden Vierzylinder-Dieselmotor von Henschel ausgerüsteten Fahrzeuge konnten maximal 100 km/h fahren, was sie auch für den Reiseeinsatz prädestinierte. Das Fünfganggetriebe wurde über einen massiven Schalthebel an der Lenksäule (Lenkradschaltung) geschaltet, wie es aus vielen Pkw der damaligen Zeit bekannt war.


Wagen 644 im besonderen

Wie in der Ausgabe 12/96 der FATB-Info zu lesen war, ist 644 der letzte bekannte Vertreter des Typs Setra S6 in der Linienausführung der BVG. Ein weiterer BVG-S6, Wagen 647, existiert noch in Berlin, wird allerdings als Wohnmobil genutzt und hat auch keinen Schilderkasten.
Aufgrund des schlechten Zustands stand der Bus 644 bislang nur in der hintersten Ecke unserer Wagenhalle, bis wir - motiviert durch einen S6-Restaurator in Ulm - am 24.Mai 2003 eine nähere Bestandaufnahme durchführten. Ergebnis: innen hui, Rest pfui. Der Innenraum ist wirklich - soweit sich dies ohne existierende Innenaufnahmen sagen lässt - komplett! Alle Sitze, Gepäckablagen, Schilder, Schalter, Aschenbecher (ein falscher hat sich eingeschlichen), Griffe, Fußböden, Klappen, Schriftzüge sind vorhanden und komplett. Darunter jedoch, sozusagen im Kellergeschoss, offenbart sich aber große Leere: tragende Profile existieren - wenn überhaupt noch - nur in stark geschwächter, deformierter oder durchgerosteter Form. Selbst Teile der massiven hinteren Achsaufhängung sind durchgerostet, so dass wir den Entschluss gefasst haben, den Wagen 644 über kurz oder lang zu verschrotten.


Ein neuer 644?


Doch halt, da war doch noch ein zweiter S6? Richtig! Im Dezember 1998 erreichte uns aus Wien ein zum Wohnmobil umgebauter Bus dieses Typs, der ebenfalls vom Baujahr 1963 ist. Eigentlich sollte er nur als Ersatzteilspender dienen, doch bei der genannten Begutachtung am 24. Mai 2003 stand bald fest: das wird ein neuer 644! Die Substanz ist um Längen besser, oder besser gesagt: dieser Bus hat eine Substanz, auf die man aufbauen kann. Der Wagen ist mittlerweile total entkernt, die Fußböden sind ausgebaut, die Fenster und Seitenbleche folgen bald.
Der weitere Fortgang der Arbeiten kann im 644-Restaurierungs-Tagebuch begutachtet werden.

Zwei weitere Setra S6

Das war dann trotzdem nicht das letzte Wort: Am 15. Dezember 2004 erwarben wir gleich zwei Setra S6 in Lübeck: ein wagenbaulich saniertes Gerippe und einen weiteren Teilespender. Beide Wagen wurden am 15. Januar per Tieflader nach Berlin überführt. Aus dem Gerippe wird 644 wiederauferstehen, während der zweite als Teilespender genutzt und im November 2005 verschrottet wurde.

644 1973 an der Deutschlandhalle

Um 1973, kurz vor der Abstellung, fotografierte Wolfgang Ulma den Wagen 644 an der Deutschlandhalle.

Kurz für der Übernahme durch die ATB

Im April 1996 zeigte sich 644 in »etwas« bedauernswertem Zustand in Tetange/Luxemburg beim dortigen Busunternehmen Siedler-Thill, fotografisch festgehalten von Remi Dhur.

Ein Glück, dass es ihn noch gibt!

Beinhahe unverändert sieht 644 heute noch immer aus, nur die Fensterscheiben sind geputzt...

Foto: Björn Draegert, 24.05.03

Etwas bröselig...

Hinten links: auch nicht besser. Man beachte die Rostberge unter dem Bus, die nur durch »vorsichtiges« Stochern mit dem Schraubenzieher entstanden.

Foto: Björn Draegert, 24.05.03

Wo ist der Fahrer?

Der Fahrerplatz ist weitestgehend komplett, selbst der Sitz ist brauchbar.

Foto: Björn Draegert, 24.05.03

Bitte platznehmen!

Der komplette Innenraum erleichtert die Restaurierung ungemein.

Foto: Björn Draegert, 24.05.03

Wange an Wange...

Zwei ungleiche Brüder Seite an Seite. Auch an dem roten Bus gibt es reichlich zu tun.

Foto: Björn Draegert, 24.05.03

Ein schöner Rücken kann auch entzücken!

Der Schein trügt nicht: der rote S6 ist wirklich brauchbar. Er fährt, und das gar nicht mal so übel. An den kernigen Motorsound muß man sich wohl erst gewöhnen...

Foto: Björn Draegert, 24.05.03

Foto vom 14.07.2006

Hoffentlich kein Traum: 644 (II) könnte »bald« wieder so aussehen!

Foto: Björn Draegert, 14.07.06