Wagen 1382

Wagen 1382, Büssing D2U 59
Wagen 1382, Büssing D2U 59
Kurz nach der Überführung, am 13.10.89, kam die Ernüchterung: die Heckplattform war nicht mehr tragfähig...

Büssing D2U 59

Vielleicht erst einmal etwas zu mir: Mario Lange, Jahrgang 1967, aufgewachsen in Zehlendorf an der Sundgauer Straße. Meine Eltern hatten bis 1975 kein eigenes Auto, also machten wir alle Fahrten durch Berlin mit dem Autobus oder der S-Bahn (damals konnte man noch nicht zwischen den beiden Verkehrsmitteln umsteigen, da ja die S-Bahn zum „Osten“ - sprich zur Reichsbahn - gehörte, es galt ein anderer Tarif).

Die Fahrten zum Einkaufen in der Schloßstraße, in Steglitz waren mit dem Kinderwagen meiner Schwester am besten mit dem 48er (Schaffner-D2U-Linie) zu absolvieren, also stand ich häufig unter der Treppe neben dem großen Wagen meiner Schwester und beobachtete den Schaffner bei seiner Tätigkeit. Die Fahrten zu den Tanten in Spandau bestanden aus der Reise mit dem 10er (Einmannwagenlinie) bis zu „Uhren Krämer“ am Bahnhof Witzleben, und dann weiter: entweder 94er oder 92er (beides D2U-Linien). Meine Oma wohnte am Stölpchensee in Wannsee, also hieß es DE fahren mit dem 18er. Hierbei entstand das „Problem“ Autobus bei mir, es wurden Fahrscheine, Fahrpläne, Liniennetze und alles gesammelt, selbst Wagennummern wurden aufgeschrieben. Das hielt bis 1980 an, das Jahr, als ich in die Oberschule kam. Da wurde ich ja „erwachsen“ und fortan beschloss ich mit dem „Kinder-Hobby“ Autobus Schluss zu machen. Diese Abstinenz hielt lange an, es gab dann Rudern, als Leistungssport, das war neben der Schule und Ausbildung zeitausfüllend genug.

Der erste "Rückfall-Schritt" kam im Jahr 1983, weil es mich aufregte, dass es mit der S-Bahn immer weiter bergab zu gehen drohte, also engagierte ich mich neben dem Sport bei der IGEB, der damaligen Interessengemeinschaft Eisenbahn Berlin, dem heutigen Berliner Fahrgastverband. Dort lernte ich Michael Müller kennen, der neben der S-Bahn auch das Autobus-Hobby hatte, mit ihm war ich dann im Jahr 1988 auf der Suche nach verkauften DEs im Raum Hamburg / Lübeck unterwegs, da es in seit Oktober 1987 Berlin keine Busse mehr dieses Typs gab.

Im Mai 1989 überredete mich Michael dazu, bei der Abholung des D2U-Wagens 1534 mitzukommen, ich war zu diesem Zeitpunkt der einzige der eine technische Ausbildung hatte. Elektrogerätemechaniker hat zwar überhaupt nichts mit Kfz-Mechanik, sprich mit Autobussen zu tun, aber immerhin noch besser als die drei anderen: Michael Müller der Versicherungskaufmann, Frank von Riman-Lipinski der gelernte Einzelhandelskaufmann (Foto), zu dem Zeitpunkt BVG-Busfahrer, und Stefan Freytag der Industriekaufmann.

Gepackt von der Überführung von 1534 nach Berlin und der Faszination D2U, habe ich dann beschlossen, mich am Erwerb des Ersatzteilspenders 1382 zu beteiligen, sozusagen als Spende. Nun hatte ich einen Autobus, zwar zunächst nur auf Zeit, aber immerhin. Jetzt war ich also völlig rückfällig geworden.

Jetzt kann ich zur eigentlichen Geschichte von 1382 kommen:

Das Fahrgestell wurde im Jahr 1959 bei der Firma Büssing in Braunschweig gebaut, dann wurde es nach Berlin gebracht und bei der Firma Gaubschat in Neukölln mit der Karosserie versehen. Die Fertigung des Autobusses wurde am 22. Januar 1960 mit der Lackierung abgeschlossen. Am 4. Februar 1960 wurde der Autobus von der BVG mit dem Kennzeichen B-Z 382 zugelassen und dem Betriebshof Helmholtzstraße zugeteilt. Bereits am zweiten Tag nach seiner Indienststellung erhielt er eine Werbung für die „Atrix Handcreme“. Diese Beschriftung behielt er bis zu seiner ersten Generalreparatur (GR) vom 15. Februar bis zum 17. März 1965. Die HwA (Hauptwerkstatt Autobus) in der Weddinger Uferstraße verließ er mit einer Neulackierung und erhielt am 26. März 1965 eine Reklame für den „Jägermeister Halbbitter“-Likör.

Aufgrund eines Beschlusses der BVG-Hauptverwaltung, alle Autobusse mit offener Plattform aus Sicherheitsgründen mit einer Tür zu versehen, wurde er im Juni 1965 noch einmal in die HWA gebracht, damit man dort die nötigen Umbauten ausführen konnte. Diese beinhalteten folgende Veränderung am Fahrzeug:

Vom 20. November bis zum 22. Dezember 1969 erhielt der Wagen seine zweite GR, hierbei verlor er erneut seine Werbung durch die Neulackierung. Am 2. Januar 1970 erhielt 1382 eine Werbung für „Karina Schokolade“, die ihn bis zum 26. April 1971 begleitete. Die letzte Reklamebeschriftung erhielt er 26. Juli desselben Jahres und warb bis zu seiner Ausmusterung für die „Berliner Commerzbank“.

Atrix Creme "Schöne Hände" Februar 1960 - Februar 1965
Jägermeister Halbbitter März 1965 - November 1969
Karina Schokolade Januar 1970 - April 1971
Berliner Commerzbank Juli 1971 - September 1975

Im Jahr 1973 wurde die Betriebsfunkanlage in den Wagen eingebaut, die durch die typische Bügelantenne an der Front, oberhalb der linken Windschutzscheibe, auch von außen erkennbar war.

Am 29. September 1975 wurde der Autobus 1382 schließlich mit einer Gesamtlaufleistung von 968 035 Kilometern abgestellt.

Zu den Stationierungen ist folgendes zu verzeichnen:

Verkauft wurde er am 2. Februar 1976 an eine Firma in Düsseldorf, die den Wagen geringfügig überholte, um ihn dann gewinnbringend weiterzuverkaufen. Im Juni 1977 wurde der Bus vom CVJM - Christlicher Verein Junger Männer, Frankfurt am Main - erworben. 1382 wurde zu einem Ausstellungs- und Werbewagen hergerichtet und am 2. Juni 1977 mit dem Kennzeichen F-CN 82 als Sonderkraftfahrzeug wiederzugelassen. Im Jahr 1983 spaltete sich der VLJE - Verein für liberale Jugend- und Erwachsenenbildung „Die Weißen Adler“, Frankfurt am Main. e.V. vom CVJM ab und übernahm den Wagen zu seinem neuen Standort Rabenau-Allershausen bei Gießen. Dort wurde das Fahrzeug ebenfalls gelegentlich als Werbefahrzeug eingesetzt.

Am 26. August 1989 wurde 1382 von der oben genannten Käufergemeinschaft für 1000,- DM (heute 511,29 Euro) erworben und anschließend nach Berlin zurück überführt. Geplant wurde zunächst, den Wagen bis zum Ablauf der gültigen HU-Frist am 1. Oktober weiter zu fahren, dann als Ersatzteilspender für 1534 auszuschlachten und anschließend zu verschrotten.

Am 19. September kam aber die entscheidende Wende für unsere Planungen. Ein uns wohlgesonnener BVGer vom Autobusbetriebshof Spandau bot uns an, mit seinem technischen Sachverstand die beiden D2Us zu vergleichen. Entscheidend war nun nicht mehr nur, welcher der beiden Busse von der Inneneinrichtung besser war, sondern bei welchem es sich technisch lohnen würde, Zeit und Energie in die Aufarbeitung zu einem Museumsbus zu stecken. Hierbei ergab sich die Erkenntnis, dass der Wagen 1382 derjenige mit der besseren Substanz war.

Hier muss ich noch mal persönlich werden, denn diese Nachricht ereilte mich auf einer Urlaubsreise in Südfrankreich, die schon von merkwürdigen Meldungen über Züge von Prager DDR-Botschaftsflüchtlingen geprägt war. Und jetzt wurde ich auch noch über Nacht auch noch zum dauerhaften Busbesitzer. Das war schon ein merkwürdiger Urlaub.

Am 26. September 1989 wurde die Ummeldung des Fahrzeuges auf das Kennzeichen B-XP 382 vollzogen. Der Versuch, das alte Kennzeichen B-Z 382 zu erhalten, schlug leider fehl, da es bereits anderweitig vergeben worden war.

Nach der Anmietung eines weiteren Stellplatzes auf einem Sandplatz in der Bartastraße in Neukölln - dort stand bereits 1534 - wurde 1382 am 6. Dezember 1989 erst mal stillgelegt. Bereits im Oktober begannen wir mit dem Versuch, die völlig verrottete Plattform bei 1382 zu erneuern. Versuch! Denn außer unserem Kumpel Dirk Poguntke konnte keiner mit einem Schweißgerät umgehen. Langsam tasteten wir uns mit Schleifpapier und Flex an die Beseitigung der Roststellen. Die demontierten Teile wurden zunächst im Bus 1534 gelagert, dort sahen wir uns auch immer wieder Details an. Nach und nach gesellten sich weitere Autobusbegeisterte zu uns, die bei der Rekonstruktion helfen wollten. Auf der Suche nach einem Namen für unsere bunte Truppe wählten wir damals bewusst dieses unserer Meinung nach Ostwort "Traditionsbus", um uns der neuen Zeit anzupassen.

Im Jahr 1991 begannen dann die Arbeiten an 1382 zu stocken, der D2U 1606 wurde von uns erworben, der in einem Zustand war, dass er mühelos über die HU und die Wiederzulassung als Sonder-KFZ kam.

Somit stand von nun an ein D2U zum Fahren zur Verfügung, was natürlich zu einem nicht mehr so großen Arbeitseinsatz an 1382 führte. Nach der Übernahme der beiden D2Us 1126 und 1629 aus der BVG Sammlung in Britz im Jahr 1993 wurden die Arbeiten an 1382 de facto beerdigt. Die Gesellschafter Stefan Freytag und Mario Lange entschlossen sich jedoch, den Autobus nicht dem Schneidbrenner vorzuwerfen, sondern suchten einen neuen Abstellplatz, wo der Bus auf bessere Zeiten warten kann. So verließ 1382 am 11. Dezember 1993 Berlin erneut, um in Fahrland bei Potsdam, seinen „Winterschlaf" zu beginnen.

Erst im Jahr 2003 zeichnete sich dann die Möglichkeit ab, eine Aufarbeitung bei der Firma Manika in Güstrow zu beauftragen, zu der der Wagen am 10.6.2003 überstellt wurde. Die Einteilung der Arbeiten in einzelne Baulose schien uns zuerst als günstig, erweist sich jetzt aber aus finanziellen Gründen als hinderlich. Der Bus kehrte Anfang 2009 als saniertes Gerippe mit offener Heckplattform zurück nach Berlin.

Der bisherige Fertigstellungsgrad beinhaltet die komplette Instandsetzung des Gerippes und des Fahrgestells mit der original hergestellten offenen Plattform. Als nächster Schritt muss der Innenausbau mit Fußböden und Wand- und Deckenplatten erfolgen. Mal sehen, wann das fertig wird...

Immerhin - wer hätte damit gerechnet? Wir sind jetzt schon bald am 20. Geburtstag der ATB, und 1382 lebt immer noch!

Mario Lange, im April 2009