Büssing Präsident 14 R (E2U)
Es liegen Beschreibungen vor zu folgenden Büssing E2U/Präsident:
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Technische Daten Büssing Präsident
Die Autobusse des Typs »Präsident« waren keine Eigenproduktion der BVG, sondern wurden ausnahmsweise aus dem direkten Lieferprogramm der Firma Büssing bezogen. Ursache dieser für die BVG eigentlich unüblichen Sonderbeschaffung war der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961. Hier stand die BVG vor allem nach dem Aufruf Willy Brandts - damals regierender Bürgermeister von West-Berlin - die von der Deutschen Reichsbahn betriebene S-Bahn zu boykottieren und dem dadurch erhöhten Fahrgastaufkommen vor dem Problem, schnell zusätzliche Fahrzeuge anschaffen zu müssen. Durch die kurzfristige Inbetriebnahme von Omnibuslinien, die abschnittsweise oder auf der gesamten Linie parallel zur S-Bahn eingerichtet wurden (unter anderem AL S4, 99), konnte man sich am Anfang nur durch den Einsatz so genannter Solidaritätsbusse westdeutscher Omnibusbetriebe und von Reisebussen der Alliierten und West-Berliner Privatbetriebe behelfen. Da dies jedoch nur eine Übergangslösung sein konnte, bestellte die BVG noch im Jahre 1961 die ersten Fahrzeuge »von der Stange« bei der Firma Büssing.
Insgesamt wurden vom Typ Präsident 217 Wagen in zwei Serien geliefert: 122 Wagen der Bauart E2U 62S und 95 Wagen der Bauart 63S (Eindecker, 2-achsig mit Unterflurmotor, Baujahr 1962 bzw. 1963, Sonderbeschaffung), die bei der BVG unter den Wagennummern 299 - 178 (E2U 62S) und 177 - 141, 301, 302 sowie 304 - 359 (E2U 63S) in Dienst gestellt worden sind. Da für ein Teil der Busse die der Wagennummer entsprechenden B-V-Kennzeichen bereits anderweitig vergeben waren, wurden die Wagen 198 bis 141 mit einer von der Wagennummer abweichenden Zulassung versehen. Als erstes Fahrzeug wurde der Wagen 299 am 13. Dezember 1961 zugelassen. Durch die fortschreitende Auslieferung konnte nach und nach der Einsatz von Solidaritätsfahrzeugen westdeutscher Betriebe beendet werden, die zum größten Teil auch vom eigenen Fahrpersonal betreut worden waren. Dieses Soforthilfeprogramm zur Unterstützung des BVG-Linienverkehrs begann nach einem Aufruf der Gewerkschaft ÖTV am 9. September 1961 und endete, nachdem der letzte Bus vom Typ »Präsident 14R«, Wagen 359 am 24. April 1963 zugelassen wurde, am 30. April 1963.
Neben dem bereits erwähnten westdeutschen Buseinsatz wurden auch Fahrzeuge West-Berliner Busunternehmen auf einigen BVG-Linien, zunächst als Verstärkerbusse, eingesetzt. Dies waren anfangs Reisebusse, ab November 1961 fand durch den Kauf von Stadtlinienbussen durch private Unternehmer jedoch ein Austausch der für den Stadtlinienverkehr nicht besonders geeigneten Fahrzeuge statt. Der Einsatz von privaten Bussen auf BVG-Linien endete erst im Jahre 1966. In der Zwischenzeit wurde trotz des Mauerbaus der Straßenbahnbetrieb im Westteil der Stadt auf ein Minimum reduziert.
Die »Präsidenten« waren Anfang der sechziger Jahre die modernsten BVG-Fahrzeuge ihrer Zeit: mit ihnen hielten Luftfederung, Lenkhilfe und Federspeicher-Handbremse Einzug. Außerdem führten sie – im Lieferzustand für Schaffnerbetrieb – das so genannte Fahrgastflußsystem mit drei Türen, geschlossener Heckplattform und Sitzplatz für den Schaffner ein.
Allerdings hatten diese Busse aus Sicht der Fahrgäste einen erheblichen Nachteil: 85 Stehplätzen standen gerade einmal 28 Sitzplätze gegenüber, was die sitzplatzgewohnten Berliner mit Bezeichnungen wie »Stehbusse« oder sogar »Viehtransporter« honorierten. Eine gewisse Abhilfe schaffte in den Jahren 1963-1966 der Umbau von 143 der 217 Wagen auf Einmannbetrieb. Es erfolgte der Ausbau der hinteren Plattformtür und des Sitzschaffnerplatzes sowie das Verlegen des Einstiegs nach vorne, wodurch das Sitzplatzangebot auf immerhin 40 Plätze erhöht werden konnte. Durch diese Maßnahme konnte die BVG die Unbeliebtheit dieser Fahrzeuge zumindest teilweise mindern.
Trotz dieses Umbaus war bei den »Präsidenten« noch ein Betrieb wahlweise als Einmann- oder als Schaffnerwagen möglich: Mit einem an der hinteren Tür angebrachten Kippschalter konnte die Signalklingel des Schaffners zu- oder abgeschaltet werden; auf die im Schaffnerbetrieb praktizierte Umkehrung der Einstiegsregelung (im Einmannbetrieb erfolgte der Zustieg beim Fahrer und der Ausstieg an der hinteren Tür; im Schaffnerbetrieb diente die hintere Tür als Einstiegtür, ausgestiegen wurde vorne beim Fahrer) konnte mittels neben den Türen angebrachter Steckschilder hingewiesen werden. Ein weiterer Umbau erfolgte bei der Überholung der Wagen in den Jahren 1967 – 1969. Durch die Anbringung der Banderole »Einmannwagen« und des Ausbaus des Signalknopfes konnten diese gekennzeichneten Wagen nur noch im Einmannbetrieb eingesetzt werden.
Am Anfang setzte die BVG ihre »Präsidenten« auf den stark frequentierten Linien ein, unter anderem der 16, 25 und 48. Nach dem Umbau zum Einmannwagen erfolgte der Einsatz auch auf den schwächer frequentierten Linien oder in den Außenbezirken.
Noch eine weitere Neuheit kam mit diesem Bustyp zur BVG: Die Fahrzeuglänge von 11,79 Metern bei relativ kurzem Radstand war für die Busfahrer so ungewohnt, dass der lange hintere Überhang der Busse beim Anfahren so manches Mal die Haltestellenmasten ramponierte. In der heutigen Zeit konnte man dieses Phänomen bei der Neubeschaffung von dreiachsigen 15-Meter-Fahrzeugen sehr häufig beobachten.
Mitte der Sechzigerjahre zeichnete sich der Trend des zunehmenden Kostenbewusstseins bei den Betrieben ab. Dieser Entwicklung trugen die Fahrzeughersteller mit der Entwicklung des Standard-I-Linienbusses Rechnung. Bei diesen, auf Richtlinien des Verbandes öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV) basierenden Fahrzeugen, bestand erstmals die Möglichkeit, einzelne Fahrzeugkomponenten verschiedener Hersteller austauschen zu können.
Mit den Wagen 250 und 273 erfolgten erste unfallbedingte Ausmusterungen der beiden Serien im Jahre 1970. Durch die Anschaffung von Bussen neuerer Bauart ab 1971 konnte der Fahrzeugbestand der »Präsidenten« nach und nach reduziert werden. Zuerst betraf dies die Einmannfahrzeuge, später dann auch die Schaffnerwagen. Die letzten Wagen wurden am 25. Mai 1976 abgemeldet. Der erste gelieferte Bus, Wagen 299, war über vierzehn Jahre bei der BVG im Einsatz, die Ausmusterung erfolgte 1. April 1976. Damit wird deutlich, daß der lange Einsatz dieser Fahrzeuge auch ein Rückgrat im BVG-Linieneinsatz darstellte. Ersetzt wurde diese Fahrzeugreihe durch die Eindeckerserien Bü E2H, MAN E2H und DB E2H bis zu den Lieferungen 1976.
In unserem Bestand befindet sich der ehemalige BVG-Museumsbus 237 von 1962 sowie - in sehr schlechtem Zustand - der Wagen 155 von 1963.
Text: Ralf Ziegenhirt